MARX & HUMOR

Da auch unsere beiden Salons mit MarXperten durchaus von Humor gekennzeichnet waren, hier einige verstreute Notizen seiner Tochter Eleanore. Denn die wenigstens kennen Karl Marx von seiner humorvollen Seite…

„Gar viele seltsame Geschichten sind über Karl Marx im Umlauf, von den „Millionen“, die er verdient haben soll, (…) bis zu seiner Subventionierung durch Bismarck, dessen ständiger Besucher während der Zeit der Internationale (!) er gewesen sein soll. Aber am komischsten von allen ist für die, die Marx gekannt haben, jene sehr verbreitete Legende, die ihn als mürrischen, finsteren, rechthaberischen, unzugänglichen Menschen schildert, als eine Art Donnergott, der, unaufhörlich seine Blitze schleudernd, niemals ein Lächeln auf den Lippen, einsam und unnahbar im Olymp thront. Eine derartige Schilderung des heitersten und lebensfrohesten Menschen, den es je gegeben hat, des Mannes mit dem übersprudelnden Temperament und Humor, dessen herzliches Lachen ansteckend und unwiderstehlich war, des gutmütigsten, freundlichsten, teilnahmsvollsten Gefährten, ist eine stete Quelle der Verwunderung und Belustigung für alle, die ihn gekannt haben. Man kann, glaube ich, sagen: das Kennzeichnende an Karl Marx im häuslichen Leben wie in seinem Verkehr mit Freunden und selbst mit bloßen Bekannten, war sein unbändiger Humor und sein unbegrenztes Mitgefühl. Seine Güte und Geduld war wirklich erhaben. (…) Sein Vermögen, Männer und Frauen zum Reden zu bringen, sie fühlen zu machen, dass er sich interessiere für alles, was sie bewegte, war einfach wunderbar.

(…) Ohne Jenny von Westphalen hätte Karl Marx niemals der sein können, der er war. Nie hat es zwei Menschen gegeben – beide bedeutend – , die so vollkommen zu einander passten und sich ergänzten. Von außerordentlicher Schönheit – einer Schönheit, die bis zuletzt seine Freude und sein Stolz war, und die Bewunderung Heines, Herweghs und Lassalles gefunden -, voll glänzender Begabung und Witz, ragte Jenny von Westphalen aus Tausenden hervor. (…) Und ich glaube mitunter, dass noch ein Band, fast so stark wie ihre Hingabe an die Sache der Arbeiter, sie zusammenband – ihr unerschöpflicher, unverwüstlicher Humor. Es gibt nicht bald wieder zwei Leute, die so Gefallen fanden an Scherz und Witz, wie die zwei. Oft und oft – besonders wenn die Gelegenheit Zurückhaltung erforderte, habe ich sie lachen sehen, dass ihnen die Tränen über die Wangen liefen, und sogar die, welche sich versucht fühlten, die Nase zu rümpfen ob solchen Leichtsinns, konnten nichts anderes tun als mitlachen. Wie oft habe ich gesehen, dass sie sich nicht ins Gesicht zu sehen wagten, weil sie wussten, dass ein einziger Blick unstillbares Gelächter entfesseln musste. Die zwei Leute zu sehen, wie sie ihre Blicke auf alles andere richteten, nur nicht auf einander, mit aller Anstrengung ein Lachen unterdrückend, das zuletzt doch mit elementarer Kraft durchbrach, ist eine Erinnerung, welche ich nicht missen möchte, nicht um alle „Millionen“, die ich geerbt haben soll. Ja, trotz aller Leiden und Schwierigkeiten waren sie ein fröhliches Paar, und der verbitterte „Donnergott“ ist eine Einbildung der Bourgeoisgehirne.“

aus: Eleanor Marx: Karl Marx. Einige verstreute Notizen. In: Erich Fromm: Das Menschenbild bei Marx. Mit den wichtigsten Frühschriften von Karl Marx. Europäische Verlagsanstalt. Frankfurt am Main 1963, S. 215 ff